Wider der blutrünstigen Natur

Es war klar, dass uns das nicht erspart bleiben würde: In einem Blog von, für und über Frauen in den 30ern (also nicht DEN 30ern nach christlicher Jahreszählung, sondern ihren individuellen 30ern) und für und über alles andere auch, gibt es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, so wie es für das Auftreten fast aller Vorkommnisse eine gewisse Wahrscheinlichkeit gibt, dass auch das Thema Menstruation einmal gestreift wird. Ja, ich würde es auch lieber ausblenden und das Feld Charlotte Roche und den anderen durchwegs gutaussehenden – sonst könnte man das vermutlich nicht wagen – ehemaligen Viva- bzw. MTV-Moderatorinnen oder Gwyneth Paltrow mit ihrem Vagina-Kerzen-Business überlassen, aber … nein. Also bringen wir’s hinter uns; kurz und schmerzlos.

Von wegen kurz und schmerzlos. Je älter ich werde, desto länger und schmerzvoller scheint sich die ganze Prozedur zu gestalten. Ich vermute ja, dass meine Biologie schon etwas ungeduldig mit mir ist und mich mit fortgeschrittenem Alter halt ein bisschen nachdrücklicher und bestimmter an meinen Fortpflanzungszweck erinnern will. Bereits vor 16 Jahren hatte sie mir den Startschuss gegeben; bisher ein Schuss in den Ofen. Ich nehm’s ihr ja auch nicht übel, ich kann den Grant nachvollziehen. Vor 5 Jahren habe ich meiner Mutter einen Zwetschkenbaum gekauft, der damals schon 2 Jahre alt gewesen war. Da wurde ich mit jedem fruchtlosen Sommer ein bisschen ungeduldiger und zugegeben auch ein bisschen erboster. Grausame Gedanken wie „Was für eine Fehlinvestition, da hätte ich auch einen Ahornbaum schenken können“ gingen mir da teilweise durch den Kopf. Und erst voriges Jahr hat er erstmals Früchte getragen; und davon auch nur 2 Stück, aber immerhin! Und süß und saftig waren sie auch!

Als saftig kann man auch meine Regelblutung beschreiben. Hätte mir mal einer gesagt, dass es nicht die Regel ist, so viel „Substanz“ zu verlieren, dann hätte ich mir vielleicht einiges an Eisenpräparaten erspart. Aber nein, alles muss man selbst ergoogeln. Und ja, natürlich hätte ich auch fragen können, ob das so normal ist, aber dafür bin ich zu stolz und natürlich zu verklemmt. Allein solche bildlichen Wortbeschreibungen zu googlen erfordert schon einiges an Mut von paranoiden Menschen, die denken, dass irgendjemand ihre Suchhistorie leaken könnte, wenn man sich plötzlich im Rampenlicht der High Society wiederfinden sollte. (Etwa weil man die nächste Beförderung zum Senior Sachbearbeiter erhalten hatte…? Tja, wenn die Bedrohung nachvollziehbar und real wäre, wäre man ja nicht paranoid.) Und neben der bereits geschilderten zunehmenden Schmerzen und der zunehmenden Stärke nimmt in Zeiten von „Helene leaks“ mit den Jahren auch die psychische Stabilität und die Kontrolle über die eigene Gefühls- und Gedankenwelt ab. Dieses Gefühl, von einem Dämonen besessen zu sein, der nicht auf Vernunft und Logik anspricht, kannte ich früher nicht. Auch die Geschwindigkeit des Stimmungswechsels gleicht nun nicht mehr dem Bild eines strahlend blauen Himmels mit einem kleinen Wölkchen, sondern eher dem eines von vielen, vielen mittelgroßen Wölkchen durchzogenen Himmels: 2 Sekunden Sonne, 10 Sekunden Schatten, 12 Sekunden Sonne, 3 Sekunden Schatten, 1 Sekunde Sonne, 4 Sekunden Schatten, usw. Ich denke, der Vergleich ist angekommen.

Bei solchen instabilen Stimmungsverhältnissen, ist es also nicht unüblich, dass so manch Gesagtes oder Getanes falsch ankommt. War die Katze in der Sonne noch grau, ist sie, wenn plötzlich der Schatten eintrifft, schon schwarz. Also werte Herren, aber auch Fellow-Damen (bzw. „nicht menstruierende Menschen“ und „ebenfalls menstruierende Menschen“, wie man dies momentan besser bezeichnen sollte, wenn man nicht in Ungnade der Twitter-Polizei geraten und damit das Risiko einer Bekanntmachung seiner Google-Suchhistorie erhöhen möchte): Zeigen Sie etwas Nachsicht, wenn Sie von einer kinderlosen Frau ab Ende 20 angestänkert werden. Sie waren möglicherweise einfach zur falschen Zeit am falschen Ort und wurden in den hormonalen Strudel des Horrors hineingezogen. Und es ist vermutlich auch nicht die Frau selbst, sondern ihre unterbeschäftigte Gebärmutter, die aus ihr spricht. Im Privaten würde ich hier, wie auch beim Auftreten von Rippströmungen im Meer, anraten, nicht gegen die Strömung anzukämpfen. Mit blutrünstigen Naturgewalten ist nicht zu spaßen.

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