Gespräche über gerissene Dämme, angekackte Windeln und die gesunde Kindergartenjause hielten seit etwa drei Jahren auch vermehrt in meinem Freundinnen- und Bekanntenkreis Einzug. Ja, und nun gab es auch bei mir endlich über Zuwachs zu berichten: Ich hatte mich zur Adoption entschlossen. Und zwar sollte es nicht ein einzelnes, sondern gleich zwei Kätzchen werden. Da ich ihnen mit der ebenerdigen Stadtwohnung mit Zugang zu einem kleinen Gemeinschaftsgarten keinen klassischen Freigang ermöglichen konnte, hatte ich mich gegen frische Babykätzchen und für bereits 3-jährige, aufgrund einer Katzenhaarallergie der Erstbesitzerin und wiederum einer Katzenhaarallergie der Folgebesitzerin weggegebene Wohnungskatzen, deren Leben schon ein bisschen verkackt waren und sich bei mir nur noch zum Besseren wenden konnten, entschieden. Da es sich, wie gesagt, um Gebrauchtkatzen, also Third-Hand-Katzen, beziehungsweise Re- und Up-Cycling-Katzen handelte, kamen sie bereits etwas verkorkst bei mir an. Eine schwarz mit einem kleinen weißen Lätzchen vorne an der Brust, normalhaarig (also kurzhaarig), mit leicht krächzender Baritonstimme, einem Knick an der Schwanzspitze und sich leicht abzeichnenden Geheimratsecken. Die andere braun-schwarz getigert, langhaarig, mit wunderschönen grünen Saphir-Augen und einem zarten Sopranstimmchen. Die Haare, die Luzifer an den Schläfen fehlten, sprossen bei O’Melli aus lauter Überfluss schon bei den Ohren und zwischen den Zehchen heraus. Beide waren überdimensionierte, kastrierte Männchen, oder – wie man vielleicht heute politisch korrekterweise sagen würde – Transgender-Katzen. In meiner Kindheit hatten wir zuhause – nach der typischen „Einstiegsdroge“ Hamster – zuerst eine, dann 2, dann 3, dann 4 und zu Höchstzeiten – mit den kleinen Kätzchen, die sich durch die Haltung weiblicher Katzen ergaben, mitgezählt – bis zu 10 Katzen gehabt. Es war für mich also nur eine Frage der Zeit bzw. eine Frage der Wohnsituation gewesen, bis ich meiner Berufung als Cat Lady endlich nachkommen konnte.
Bereits der erste Tag mit den Katzen daheim startete wunderbar. Sie waren am Abend zuvor mit mir zu Bett gegangen und als ich meine Augen des Morgens aufschlug, saßen sie beide Seite an Seite in einem 30 cm-Lineal Abstand vor meinem Gesicht. Wie zwei Birnen mit Augen, die mich mit erwartungsvollem Blick anschauten. Ich suchte meine Socken, derer ich mich unter der Bettdecke vorm Einschlafen entledigt hatte, zog sie über und machte mich auch schon auf den Weg zur Futterecke, 2 x 4 Pfötchen mir in meinem unmittelbaren Windschatten hinterhertapsend. Voller Freude darüber, den Katzen nun ein köstliches ready-to-eat-Frühstück aus dem Plastikbeutelchen kredenzen zu können, stieß ich die Tür zur Küche auf, hinter der sich auch schon der Tatort einer vergangenen Stunde offenbarte. Eine 1 m lange braune Schleifspur, teilweise mit anhaftenden, größeren Materialbröckelchen, zweispurig und ca. 2 cm breit zog sich vom westlichen Ausgang der Katzentoilette, die unter dem verwahrlosten und nie benutztem Esstisch an der Küchenwand platziert war, bis zur Durchgangstüre ins Wohnzimmer. Hier verlor sich die Spur noch immer nicht, sondern zeichnete einen U-Turn wieder zurück zur Katzentoilette, vor der sie sich dann allmählich verlief und verblasste. Da die Beseitigung von Kacke am Küchenboden vor ziemlich allem Vorrang hatte, machte ich mich gleich an die Arbeit. Nicht mehr ganz frisch war die Spur bereits angetrocknet und nur durch Krafteinsatz und schrubbenden Bewegungen zu beseitigen.
Wochen später sollte ich früh am Morgen trotz unvollendeter Detektivausbildung wieder eine Spur entdecken. Dieses Mal musste ich das Bett aber noch nicht einmal verlassen, als mein Blick auf der Suche nach meinen zwei kleinen Waschbärchen, wie ich die Katzen auch liebevoll nannte, weil sie gerne im Müll herumwühlten und einer der beiden aufgrund seiner langen Haare, dem buschigen, schwarzgestreiften Schwanz, dem spitzen Schnäutzchen und den stets ein bisschen hervorblitzenden Eckzähnchen tatsächlich wie ein Waschbär aussah, am Fußende hängen blieb, wo mir sogleich ein Klecks in sanftem Braunton auf dem elfenbeinfarbenen Leintuch ins Auge fiel. Das zugehörige abgestreifte Kacknugget sollte ich 2 Tage später komplett ausgetrocknet unter der gegenüberliegenden weißen Kommode finden. Es musste wohl bei der Abstreifaktion vom Bett gefallen und dorthin gekugelt sein.
Um beim Thema unordnungsgemäßes Abkoten zu bleiben: Der allgemeine Hausverstand hatte mir schon des öfteren bewiesen, dass es einige objektive Grunderkenntnisse gab. Darunter etwa, dass, wenn es nach Scheiße stank, auch irgendwo Scheiße war. Zog der Langhaarige beim Vorbeigehen also einen Fäkalienodeur hinter sich her, so war dies bisher stets ein untrügerischer Indikator dafür gewesen, dass hinten am Arsch wieder etwas Kot an den Haaren anhaftend herumgebaumelt war. Hier galt es immer schnell zu handeln, denn wenn sein Hintern auf irgendeinem Polstermöbel herniederkam, so hinterließ dies bleibende Spuren. So geschehen am Morgen des 21. Novembers 2020, an dem Tag, an dem ich erstmals richtig zu schätzen wusste, dass die Bezüge meines Sofas abnehmbar und waschbar waren.
Neben zahlreichen – bisher glücklicherweise nur einmaligen – Vorkommnissen, gab es auch einige Wiederholungstaten. Wann immer aus dem Badezimmer, dem neuen Ort der ordnungsgemäßen Geschäftsverrichtung nach dem Fiasko unterm Küchentisch, etwa ein länger als fünf Sekunden andauerndes Scharren zu vernehmen war, bedeutete das meist, dass der operierende Geschäftsführer Schwierigkeiten hatte, das Geschäft unter Dach und Fach und Streu zu bringen. Meist klebte es dann irgendwo an der inneren Seite des Katzenklos und beim Versuch, das Streu dort hinzubefördern, war dies über weite Distanzen aus dem Katzenklo hinauskatapultiert worden. Selbst in der Dusche fand sich dann schon das ein oder andere Klümpchen Streu, das seinen Weg durch die Duschvorhangbarriere gefunden hatte. Außerdem auf der Tagesordnung standen bisher auch immer Mörderpupse, die einem in ihren monströsen Ausmaßen zum Verlassen eines Raums zwangen und teilweise Abklingzeiten von bis zu 15 Minuten aufwiesen.
Alles in allem war die Anschaffung der beiden Fellnäschen also die beste Entscheidung seit Langem gewesen. Und obendrein war ich jetzt auch ausreichend gewappnet, um bei den Mütter-Gesprächsrunden wertvolle Beiträge in der Rubrik Windelstories liefern zu können. Bei mir wurde zwar die Tätigkeit des Windelwechselns durch das Kack- und Pieselnugget-Schürfen im Katzenkisterl ersetzt, aber ekelig war es wohl gleichermaßen. ❤
Auch Engel müssen mal. Gott segne die Erfinder des klumpenden Katzenstreus, welches hinwegnimmt die Schwierigkeiten der Erkennung Urin-behafteter Streu !